Der Bau des Flughafens “Notre Dame des Landes” in der Bretagne ist in Frankreich ein Politikum: Die Regierung Hollande will das seit 1974 anvisierte Prestigeprojekt endlich umsetzten. Doch die 1.600 Hektar Wald- und Wiesenflächen halten seit mehreren Jahren Flughafengegner und Bauern besetzt. Im Oktober 2012 begann die Räumung – jedoch erfolglos (klimaretter.info berichtete). In der “zu verteidigenden Zone” ZAD (Zone à défendre) harren die Aktivisten nun neuer Räumungen, denn die Bauarbeiten sollten im April starten.
Camille Duchamp, Vertreter des Organisationskollektivs des ZAD, berichtet über Motivation und Vorhaben der Besetzer. Er hat im ZAD überwintert und organisierte am Wochenende die ersten Protestaktionen mit. Wie die meisten “Zadisten” bleibt er lieber anonym.
klimaretter.info: Als Verteidiger des “ZAD” haben Sie den ganzen Winter in provisorischen Unterkünften auf dem Gelände des zukünftigen Flughafens ausgeharrt: Gab es viele Räumungen?
Camille Duchamp: Die Regierungen musste ihre aggressive Räumungstaktik in den letzten Monaten einstellen. Der öffentliche Druck war nach den Ereignissen im Herbst zu groß. Die Polizei zerstörte mehrere größere Wohnplätze, die aber daraufhin an anderer Stelle wieder aufgebaut wurden. Wochenlang gab es Auseinandersetzungen. Daraufhin wurde eine Dialogkommission eingesetzt und seitdem ist Ruhe. Wir warten nun den Bericht der Kommission ab.
Die Arbeiten des Flughafenbetreibers Vinci sollten eigentlich in diesen Tagen beginnen …
Ja, aber die eingesetzte Dialogkommission verzögert den Zeitplan der Regierung. Wir haben nicht an dem Dialog teilgenommen, da die Kommission nicht dazu eingesetzt wurde, unsere Anliegen anzuhören. Es geht um ökologische Mängel bei der Flughafenplanung, jedoch wird das Projekt selbst nicht in Frage gestellt. Die Regierung versucht Zeit zu gewinnen, da sie gleichzeitig auch mit Protesten gegen andere Projekte wie den Schiefergasabbau konfrontiert ist. Die nächsten Wochen erwarten wir deshalb keine Räumungen.
Ihr “Nein zum Flughafen” stellen die Zadisten in einen breiteren Kontext: “Sich stressen lassen oder entschleunigen – das ist hier die Frage!” (Foto: Susanne Götze)
Sie organisieren dieses Wochenende die erste größere Demonstration nach dem Winter: Was ist Sinn und Zweck der Aktion?
Wir dürfen nicht einfach abwarten und Däumchen drehen. Die Leute hier wollen sich auch nicht einfach hinter Barrikaden verschanzen und auf die Polizei warten. Die Demonstration heute ist eine landwirtschaftliche Aktion: Wir werden zusammen mit Bauern des ZAD und der Region weitere Flächen besetzen und kultivieren. Es geht uns darum, bestehende bäuerliche Projekte zu unterstützen und Alternativen aufzuzeigen. Dabei spielt auch die Nahrungsmittelautonomie eine Rolle. Ziel ist, sich unabhängig von der industriellen Landwirtschaft zu machen.
Wie viele Leute wohnen derzeit auf dem Gelände und wie sieht es mit der Unterstützung von außen aus?
Zur Demonstration erwarten wir um die 1.000 Unterstützer. Es gibt mehr ZAD-Aktivisten in und außerhalb des ZAD als vor den Räumungen. In den letzten Monaten haben sich in ganz Frankreich Unterstützerkollektive gebildet. Zudem haben die Räumungen dazu beigetragen, dass die ZAD-Bewohner enger zusammengerückt sind: Ehemalige Bauern des Flughafengeländes, Landwirte der Region, linke Kollektive, Besetzer und internationale Unterstützer arbeiten eng zusammen. Viele Leute erkennen, dass der Kampf um das ZAD ein Symbol für ökologische und soziale Auseinandersetzungen weltweit ist.
Es gibt mehr ZAD-Aktivisten in und außerhalb der “zu verteidigenden Zone” als vor den Räumungen. (Foto: Susanne Götze)
Die Regierung will Sie um jeden Preis vertreiben – wie groß sind ihre Chancen, noch über den Sommer zu kommen?
Wir sind optimistisch, dass wir gut über den Sommer kommen. Einerseits organisieren wir Protestaktionen und versuchen uns zu verteidigen. Andererseits wollen wir mit unseren landwirtschaftlichen Projekten vor Ort zeigen, dass wir uns hier wirklich niederlassen, um alternativ zu wirtschaften. Wir sollten uns aber auch nicht zu früh freuen, denn die Regierung hat ein echtes Problem, wenn sie den Kampf hier verliert: Andere Projekte werden sich zukünftig auch nicht so einfach unterkriegen lassen.
Interview: Susanne Götze
Source : http://www.klimaretter.info/protest/hintergrund/13465-der-protest-hat-ueberwintert