Die französische Regierung kann keine schlechten Nachrichten mehr gebrauchen. Der Flughafen Nantes sollte ein Erfolgsprojekt werden. Doch die Landwirte wollen ihre Höfe nicht hergeben.
Seite an Seite kämpfen Anarchisten und Landwirte in Frankreich. Ihr Ziel: Der geplante Großflughafen bei Nantes in der Bretagne soll gestoppt werden. Um mehrere Monate konnten die Flughafengegner das vom französischen Ministerpräsidenten Jean-Marc Ayrault protegierte Projekt bereits verzögern, aber das reicht ihnen nicht.
Noch mehr schlechte Nachrichten können Frankreichs Präsident François Hollande und seine sozialistische Regierung allerdings nicht gebrauchen. Gerade erst stolperte der Haushaltsminister über einen Skandal um Steuerhinterziehungen, dazu sendet die Konjunktur immer dunklere Signale.
Die Anti-Flughafen-Demo vom vergangenen Wochenende dürfte jedoch nur der Auftakt für eine neue Protestwelle sein. Seit Monaten halten Tausende Flughafengegner das Baugelände in Notre-Dame-des-Landes 24 Kilometer nördlich von Nantes besetzt.
Im November versuchten 500 Bereitschaftspolizisten eine Räumung. Als die Demonstranten sich mit Steinen und Molotowcocktails zur Wehr setzten, schlug die Polizei mit Tränengas zurück. Am Montag prallten die beiden Lager wieder aufeinander, erneut soll es Verletzte gegeben haben.
Sammelbecken für Bauern
Der Aéroport du Grand Ouest soll den bestehenden Flughafen Nantes Atlantique ablösen und wäre auch für Großraumflugzeuge wie den Airbus A380 ausgelegt. Zur Eröffnung 2017 soll der Flughafen 4,5 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen können, längerfristig sollen die Kapazitäten verdoppelt werden.
Prominentester Fürsprecher des Projekts ist Ministerpräsident Ayrault, der Ex-Bürgermeister von Nantes. Er argumentiert, dass der Flughafen Frankreichs Wirtschaft den dringend benötigten Schub verleihe und Arbeitsplätze schaffe.
Die Bewegung der Flughafengegner ist ein Sammelbecken für Bauern aus der Region, Anarchisten, radikalen Ökofeministinnen und Chaoten aus ganz Europa, die hier eine neue Front gegen Globalisierung und Kapitalismus eröffnen wollen. Auch Umweltschützer und linksextreme Strömungen der französischen Grünen lehnen den Flughafen als Umweltverschmutzer ab.
“Hier wird die Start- und Landebahn verlaufen”, sagt Sylvain Fresneau und zeigt auf das zweistöckige Haus und den Bauernhof, den seine Familie in der fünften Generation bewirtschaftet. 88 Kühe hat er, jährlich liefern sie 550.000 Liter Milch.
Landwirte wollen Land nicht verlassen
Fresneau und andere Landwirte weigern sich, das Land zu verlassen, das sie ihr Leben lang bearbeitet haben. “Seit Januar sind wir illegale Siedler – die Kühe auch”, so Fresneau. Er sei nicht darauf aus, den Preis hochzutreiben, sagt er: “Seit fünf Generationen sind wir Bauern, das lässt sich mit Geld nicht aufwiegen. Es ist meine Pflicht, kein Geld von den Landentwicklern anzunehmen.”
Schon sein Großvater habe sich vor 40 Jahren, als die Idee für den Flughafen das erste Mal auftauchte, gegen das Vorhaben ausgesprochen. Ende der 90er-Jahre wurden die Pläne wieder aus dem Archiv geholt. Nur dank der Hilfe der “ZADisten” konnten die Bauern ihren Widerstand so lange aufrechterhalten.
Die radikale Gruppe, die sich nach der französischen Abkürzung für “Förderungsgebiet” ZAD benannt hat, hält seit 2009 das Land besetzt, auf dem der Flughafen entstehen soll.
Kampf könnte noch lange dauern
Einige der ZADisten haben europaweit an Aktionen von Globalisierungsgegnern und der “Occupy”-Bewegung teilgenommen. Sie unterstützen die Bauern von Notre-Dame-des-Landes, um den auf ihrer Website formulierten Wunsch voranzutreiben, “gemeinsam zu leben, das Land zu bewirtschaften und unsere Autonomie vom kapitalistischen System zu erhöhen”.
“Ein wenig utopisch, aber manchmal braucht man etwas Utopie”, sagt Sylvains Vetter Dominique Fresneau. Bei den Treffen der beiden Lager würde es schon manchmal hoch hergehen, sagt er, aber meistens fände man Wege der Zusammenarbeit.
Anfang April veröffentlichte ein von Ministerpräsident Ayrault eingesetzter Ausschuss seinen Bericht. Darin wurde angeregt, noch einmal einen Ausbau von Nantes Atlantique zu prüfen, anstatt einen völlig neuen Flughafen in Notre-Dame-des-Landes zu bauen. Die Regierung sah mit diesem Bericht die Notwendigkeit eines neuen Flughafens bestätigt. Flughafengegner hingegen lasen ihn als Empfehlung, das Projekt zu stoppen.
In jedem Fall werden neue Studien die Eröffnung des Flughafens weiter hinausschieben, heißt es bei den Aktivisten. Die Bauern von Notre-Dame-des-Landes und die anderen Flughafengegner richten sich darauf ein, dass ihr Kampf noch lange andauern wird. Am Samstag wollen sie das Baugelände erst einmal mit Pflanzen verschönern.